Beide auf ihre Art bereits vom Leben frustriert, im Stillen, noch immer klamm im Schritt, liegen sie im Ehebett, nackt, halb zugedeckt, halb aufgerichtet, mit den zerfahrenen Gesichtern zweier indischer Gottheiten, die sich miteinander langweilen; und rauchen dabei. 

Eigentlich nur R. raucht, um genau zu sein. Nach dem ganzen In- und Aufeinander, berühren sich lediglich ihre Oberarme. Die zögerlich angewinkelten Knie unter der Decke schon nicht mehr. Sie liegt links, wie immer. 

R. fragt sie: Kommt nicht bald auch dein Mann zurück? Omündlich entweicht zugleich leichtlebig ausgeblasener Rauch aus seinen Lungen. Bis sie ihm die Zigarette aus den langen Fingern fischt,  die er sich dabei ansengt. Sie schmunzelt spöttisch. 

Da bläst sie schon selbst Ringe aus; ärgert sich nun dennoch, denn der Filter schmeckt fürchterlich; nass und vom Nuckeln durchgeweicht, hinterlässt er einen ätzenden, auf der Lippenmitte nachbrennenden, bitteren Geschmack. Nur so nebenbei zieht sie ihn am Kinn, ganz nah, an sich heran und sagt: Du verwechselst mich mit irgendeiner deiner tausend ander’n Tussis!?

Und küsst ihn zärtlich.

Du hast bloß Angst, weil du so alt bist, sagt er kühn. Und greift zum Smartphone. 

Was-stimmt-denn-bloß-nicht-mit-dir?, will sie, aufblitzenden Angesichts daraufhin wissen. Und massakriert, ritzt und seziert ihn derweil mit ihren katzengrauen Giftpfeilaugen und den dazugehörigen Wimpernmessern.

Bereits in vehementer Gegenwehr, er, schon lächelt nicht mehr. Macht nur ein Affengesicht. Und leckt stattdessen sich mit der rohen Zunge über das rosa Diabetikerzahnfleisch. An Jaws denkt man unweigerlich. Er ist offenbar durstig. Kommt vom Lecken. Die Lippen, salzig. Schmecken bärstig. Nach brachialer Zurückhaltung, erwidert R.: Die einzige, die hier wohl was verwechselt, bist du. Nämlich mich, mit deinem beschissenen Mann. Ich schwör’. 

Daraufhin erwidert sie erst einmal nichts mehr. Aber dann –, dass er ein Riesenarschloch sei. Und boxt ihn mehrfach gegen die Schulter. 

Doch sie ermüdet bald. Schlägt die Arme um sich selbst und schmollt fortan. 

Er zunächst bleibt ohne Gegenwehr. Spielt weiter. Sein Game, eine Mischung aus Vier-Gewinnt und Asteroids. Mit bunten Blubberblasen. Dann plötzlich –

Hast du das gehört?, sagt er, hör doch! Da hustet wer.

Wo?

Unten irgendwo.

Unten? Na dann schau´ halt mal nach.

Er zögert. Legt sein Smartphone weg. 

Und, obwohl auch ihr vorhin so war, als hätte sie etwas vernommen, sagt sie nun dennoch: Na, hat das Riesenbaby etwa Angst? Vorm schwarzen Mann? Soll ich nachsehen gehen für dich?

Hör’ auf, so’n Scheiß zu quatschen!

Er steht auf, verlässt das Zimmer. Tritt in den Flur, geht langsam, fast schleichend, bis zur Treppe und ruft: Hallo, ist da wer?

Nichts. Er zuckt mit den Schultern. Und schlurft zurück. 

Sie empfängt ihn, mit warmen Wangen und noch immer gleißend heißen Schenkeln.

Du bist noch schlimmer, als dein Vater, sagt sie; und hat Recht damit. Aber du küsst besser.

Was beide nicht ahnen – seit einer Woche bereits tue ich jeden Morgen bloß so, als ob ich zur Arbeit gehe. Und schleiche mich später wieder ins Haus zurück, durch die angelehnte Kellertür, die in den kleinen Hintergarten führt. Durch den schmalen Türspalt spähend, hab´ ich dann Voyeur gespielt, die ganze Zeit über. Nur heute nicht.

Und das hier, das alte Jagdgewehr, in meinen Händen, ist entsichert und geladen; und scharf gemacht. Noch liege ich hier. 

Unterm Bett. 

Papa is back! 

It’s D-Day. 

 The Doom’s Day of Donnerstag

endboss-Verlag

Copyright © 2019 by Yves Engelschmidt

Auszug aus dem neuen Buch:

SONNENSAUFGANG

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